Neulich bei Facebook


Dezember 4, 2025
Stephan Pohl

Neulich habe ich bei Facebook diesen Satz gelesen:
„Ein ungeheilter Mensch kann sich fast durch alles beleidigt fühlen. Ein geheilter Mensch versteht, dass die Handlungen anderer nichts mit ihm zu tun haben.“

Ich finde diesen Satz schwierig. Er macht nämlich zwei Ebenen zu einer einzigen – und verzerrt damit die Wirklichkeit.

Ich halte das für eine der typischen Verkürzungen, die in vielen spirituellen Ecken herumgereicht werden. Klingt gut, trägt aber nicht.

Wenn mich etwas triggert, schaue ich hin. Manchmal nicht zeitnah, einräum, ich arbeite daran. Das gehört zu meinem Weg. Ich frage mich, warum ich reagiere, was da angestoßen wird, welche alte Geschichte aufspringt. Das ist Selbstverantwortung – und die nehme ich ernst.

Also ein klares JA, ich halte inne, wenn mich etwas triggert. Das ist meins.  Das was der Andere gesagt, getan, hat, das ist seins.

Aber daraus nun abzuleiten, dass meine Reaktion automatisch „Ungeheiltheit“ bedeutet, halte ich für falsch.
Verletzlichkeit ist kein Fehler. Sie ist kein Zustand, den man abtrainiert, bis man angeblich „geheilt“ und unberührbar ist.
Sie gehört zum Menschsein dazu.

Und gleichzeitig stimmt es auch nicht, dass die Handlungen anderer „nichts mit mir zu tun haben“. Natürlich tun sie das. Menschen berühren einander – auf gute und auf schwierige Weise. Wenn jemand respektlos, abwertend oder übergriffig handelt, trägt diese Person dafür Verantwortung. Das bleibt bei ihr, nicht bei mir.

Wenn jemand einen Menschen in meiner Anwesenheit misshandelt, mit Worten oder Werken, dann ist der Stephan in mir nicht am Überlegen: hm, wenn ich jetzt einfach zusehe, bin ich dann heil?

Das eine schließt das andere nicht aus:
Ich kann hinschauen, was in mir passiert –
und trotzdem klar benennen, was der andere getan hat.

Erst diese Unterscheidung macht das Ganze ehrlich.
Sonst wird aus dem Gedanken der Selbstverantwortung sehr schnell ein Mechanismus, der jede Betroffenheit als Makel auslegt.
Und das ist genau die Art von geistiger Verdrehung, die ich nicht mittrage.

Ich schaue hin, weil ich leben will, nicht weil ich einen Zustand erreichen möchte, in dem mich nichts mehr berührt.
Dass mich etwas trifft, heißt nicht, dass mit mir etwas nicht stimmt.
Es heißt schlicht, dass ich ein Mensch bin.
Und das reicht.

„Ich reagiere, weil ich lebe.
Ich reflektiere, weil ich Verantwortung trage.
Und ich lasse mich nicht kleinmachen, nur weil mich etwas berührt.“

Danke für die Erinnerung


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