Der sportliche Umgang des Magiers mit der Wahrheit
Wahrheit und Wahrnehmung im magischen Weg
Der sportliche Umgang mit der Wahrheit beschreibt die Fähigkeit, Wahrheit nicht zu verbiegen, sondern der eigenen Wahrnehmung Beweglichkeit zu schenken. In der magischen Praxis bedeutet Wahrheit nicht Starrheit, sondern Klarheit des Blicks. Dieser Text erkundet, wie der Magier mit Wahrheit arbeitet, ohne sie besitzen zu wollen.
Wahrheit ist ein Fels.
Unbeweglich.
Unbestechlich.
Sie steht im Strom der Welt wie ein alter Stein im Wasserlauf,
umspült von Strömungen,
umflüstert von Stimmen,
doch in ihrem Kern unverändert seit Anbeginn.
Die Menschen kreisen um diesen Fels,
tragen Bilder, Überzeugungen, Verletzungen und Hoffnungen zu ihm,
und verwechseln ihre eigenen Projektionen
mit dem, was er wirklich ist.
Sie nennen das Wahrheit —
doch oft ist es nur die Form,
die ihr Geist diesem Stein gegeben hat.
So entsteht das Ringen:
das Festhalten,
das Verteidigen,
das Aufregen.
Man will die Wahrheit in die eigene Hand pressen,
als sei sie eine Figur aus weichem Lehm.
Doch Wahrheit lässt sich nicht formen.
Sie lässt sich nur erkennen.
Und hier tritt der Magier auf den Plan.
Er versucht nicht, die Wahrheit zu verbiegen.
Er versucht nicht einmal, sie zu erklären.
Er lässt sie stehen —
und bewegt alles um sie herum.
Er weiß, dass der Versuch, Wahrheit zu verändern,
so unmöglich ist
wie der Versuch, den Löffel zu verbiegen.
Der Magier setzt nicht beim Stein an,
sondern beim Blick.
Er prüft, von welchem Winkel aus wir die Welt sehen,
welche inneren Gesetze wir benutzen,
welchen Stimmen wir glauben
und welche wir überhören.
Er weiß:
Wenn du die Perspektive veränderst,
verändert sich die Welt —
nicht die Wahrheit,
aber dein Zugang zu ihr.
Das ist sein sportlicher Umgang mit ihr:
Eine Beweglichkeit,
die nicht täuscht,
sondern befreit.
Eine Wachheit,
die den starren Griff löst.
Eine innere Disziplin,
die geschmeidiger ist als jeder Gedanke,
der sich selbst für absolut hält.
Er bewegt sich wie jemand,
der mit dem Wind gearbeitet hat,
mit dem Feuer, mit der Dunkelheit,
mit den verschwiegenen Räumen zwischen den Welten.
Er kennt das Weiche im Harten
und das Offene im scheinbar Geschlossenen.
Und genau das provoziert:
dass er im Angesicht der unbeweglichen Wahrheit
leicht bleibt.
Dass er dort Spielräume sieht,
wo andere nur Mauern sehen.
Dass er inmitten der Strenge des Wirklichen
trotzdem Möglichkeiten wahrnimmt.
Nicht, weil Wahrheit biegsam wäre —
sondern weil der Mensch,
wenn er es zulässt,
biegsam werden kann.
Was andere aufregt,
ist nicht die Kraft des Magiers,
sondern ihre eigene Unfähigkeit,
den Griff zu lösen.
Der Magier verschiebt nicht die Wahrheit.
Er verschiebt das Bewusstsein.
Und indem er das tut,
öffnet er Wege,
die immer schon da waren,
deren Eingang jedoch hinter
den eigenen Vorstellungen verborgen lag.
Wahrheit bleibt der Fels.
Der Magier bleibt der Wanderer,
der um ihn kreist,
der von ihm lernt
und ihn nie besitzen will.
Denn wer die Wahrheit besitzen will,
verliert sie.
Wer ihr begegnet,
verändert sich.
Und darin liegt die eigentliche Macht des Magiers:
Er ist beweglich im Angesicht des Unbeweglichen.
Und mit dieser Beweglichkeit
setzt er die Welt in Bewegung.
Der Magier weiß auch, dass Wahrheit nicht darauf wartet, entdeckt zu werden.
Sie enthüllt sich nur dort, wo der Mensch bereit ist, seine gewohnten Muster zu überschreiten.
Wer still wird, wer sich dem leisen Verschieben des Blicks überlässt, erkennt plötzlich Linien, die zuvor unsichtbar waren.
Nicht, weil die Welt sich verändert hätte, sondern weil sich im Inneren ein Raum geöffnet hat, der zuvor verschlossen war.
So wird der Umgang mit der Wahrheit zu einer Übung, die nie endet.
Eine Kunst, die sich nicht im Besitz, sondern im Verhältnis zeigt.
Der Magier tritt nicht an, um Recht zu behalten, sondern um zu verstehen.
Er lauscht den Strömungen, die den Fels umspielen, und weiß:
Wer in Bewegung bleibt, erkennt mehr als jener, der am Stein rüttelt.
Und vielleicht ist genau darin die Freiheit zu finden —
nicht im Sieg über die Wahrheit,
sondern in der Bereitschaft, von ihr verwandelt zu werden.
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