Die Stille der Rune
Runen gehören zu den ältesten symbolischen Sprachen Europas – und zugleich zu den am meisten missverstandenen. Sie wurden gedeutet, benutzt, missbraucht, romantisiert, vereinfacht und politisch verzerrt. Zwischen diesen Schichten ist ihr eigentlicher Kern fast unsichtbar geworden: eine stille, präzise Bewegung des Bewusstseins, die nichts verspricht, aber viel öffnet.
Hermetisch betrachtet sind Runen keine „Bedeutungen“.
Keine Antworten.
Keine Anleitung.
Keine Zukunftsmaschine.
Eine Rune ist eine Bewegung, die sich im Inneren formt, sobald man bereit ist, sie ohne Erwartung zu betreten. Sie spricht nicht mit Worten, sondern mit einer Geste – einer Haltung, die sich erst zeigt, wenn das Denken still genug ist, den Raum dahinter zu fühlen.
Runen wirken nicht durch ihre Form.
Und sie wirken schon gar nicht durch die Listen ihrer modernen Interpretationen.
Sie wirken durch die Haltung, in der sie berührt werden.
Eine unruhige Hand macht aus einer Rune ein Orakel.
Eine ängstliche Hand macht aus ihr ein Zeichen für Trost oder Gefahr.
Eine suchende Hand macht aus ihr eine Antwortmaschine.
Doch eine stille, klare Hand lässt die Rune das sein, was sie immer war:
ein Fenster in eine Bewegung, nicht eine Botschaft.
Hermetik schützt Runen vor Verengung, weil sie jede Form zuerst als Spiegel betrachtet.
Nicht als Instanz.
Nicht als Wahrheit.
Nicht als System.
In dieser Sicht ist eine Rune weniger ein „Zeichen“, als ein Ort, an dem Bewusstsein sich selbst erkennt – verdichtet, klar, ohne Schmuck. Ihre Schlichtheit ist kein Mangel, sondern ihre Präzision. Wer sie zu Schlagworten macht, verliert sie. Wer sie in rosa färbt, entwürdigt sie. Wer sie politisch verzerrt, trennt sie von ihrem Ursprung.
Doch wer die Stille berührt, aus der sie kommen, beginnt zu verstehen:
Runen sind keine Sprache der Antworten.
Sie sind eine Sprache der Wahrnehmung.
Jede Rune ist ein Übergang.
Ein innerer Wechsel der Temperatur.
Ein Nachgeben oder ein Aufrichten.
Ein Verdichten oder ein Öffnen.
Ein Erinnern oder ein Schwellen.
Die Frage lautet nicht:
„Was bedeutet diese Rune?“
Sondern:
„Welche Bewegung entsteht in mir, wenn ich sie sehe?“
Diese Bewegung ist das Herz der hermetischen Runenarbeit.
Sie verlangt wenig – nur Klarheit.
Und sie schenkt wenig – nur Wahrheit.
Aber dieses Wenige ist genug. Mehr als genug.
In „Die Stille der Rune“ geht es nicht darum, Runen zu erklären.
Es geht darum, ihnen zuzuhören.
Und der feinen inneren Bewegung zu folgen, die entsteht, wenn eine Rune ruft.
Die einzelnen Runenbeiträge werden deshalb nicht geplant.
Sie entstehen, wenn eine Rune sich zeigt.
Nicht als System.
Sondern als Begegnung.
Denn Runen wollen nicht interpretiert werden.
Sie wollen berührt werden.
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